Graf Otto I. von Buchhorn

Aquarell von Gabriel Bucelin, 1627 (25,0 x 14,5 cm)
Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, HB V. 4a, 150r

Von 838 bis 886 erscheint Buchhorn als Ausstellungsort von fünf Urkunden, in denen dem Kloster St. Gallen Besitz in meist weitab gelegenen Orten des Argen- und des Rheingaus, einmal auch des Linzgaus, übertragen wird. Michael Borgolte hat aus der Untersuchung dieser fünf Urkunden jüngst gefolgert, daß die Siedlung Buchhorn, die sich vom heutigen Schloß bis zur Hochstraße hinzog (unter dem späteren Namen Hofen bekannt), damals das Zentrum der karolingischen Grafschaft nördlich des Bodensees gewesen sein muß, die sich aus dem Linzgau, dem Argen-, Alp- und dem Rheingau zusammensetzte. Da in dieser Grafschaft nacheinander Grafen aus unterschiedlichen Familien amtierten, kann das regionale Zentrum Buchhorn nicht Besitz eines einzigen Adelshauses gewesen sein; es war nach Borgolte offenbar eher ein königlicher, den Inhabern der großen Grafschaft als Amtsausstattung zugewiesener Ort. Die früher geläufige Vorstellung, daß die Ulriche (Udalrichinger) neben ihrem bekannten Herrschaftsmittelpunkt Bregenz seit dem 9. Jahrhundert auch Buchhorn zu eigen besaßen, läßt sich nicht aufrechterhalten. Selbst die um 1050 in St. Gallen niedergeschriebene Wendelgardsage besagt nicht rnehr, als daß Wendelgard im frühen 10. Jahrhundert in Buchhorn, dem zeitweiligen Wohn-(Amts-)sitz ihres Ehemanns, mit dem gräflichen Gefolge ein Jahrtagsgedächtnis für den totgeglaubteo Gatten Ulrich feiern ließ. Wann der königlich-gräfliche Ort Buchhorn in den Besitz der Ulriche übergegangen ist, läßt sich mangels urkundlicher Zeugnisse nicht mehr klären. Erst mit einer um 1040 im Haus der Ulrichs vollzogenen Teilung wird Buchhorn als Besitz und zugleich Sitz einer Linie nachweisbar, die nur aus zwei Generationen - Otto I. und Otto II. - bestehen und 1089 bereits erlöschen sollte. Der rastlose Weingartner Mönch und Geschichtsschreiber P. Gabriel Bucelin (geb. in Dießenhofen 1599, gest. in Weingarten 1681 ) hat in seinem 1627 abgefaßten Manuskript "Constantiae benedictinae..." zur Illustrierung der Gründungsgeschichte des Klosters Hofen einen der beiden Buchhorner Grafen abgebildet; seine Personenerläuterung zum Aquarell lautet übersetzt: "Otto, erlauchtester Fürst des Linzgaus, Graf von Rätien, Buchhorn etc., Stifter des Klosters St. Pantaleon in Hofen". Bucelin meinte offenbar Otto I. von Buchhorn, Graf in Oberrätien und im Linzgau, der 1079 letztmals erwähnt wird und wenig später verstorben sein dürfte; der ihm zugedachte Fürstenrang war eine phantasievolle Zutat Bucelins. Otto I. gilt auch in der neueren Literatur über das Kloster Hofen als Ehemann der Gräfin Bertha, die in der Hofener Überlieferung seit alters als Stifterin des Benediktinerinnenklosters St. Pantaleon verehrt wird. Bertha hat die Klostergründung jedoch eher als Witwe und noch nicht zu Lebzeiten ihres Ehemanns, wohl bald nach dem Jahre 1079, vollzogen. Bei der Beisetzung des Grafen Otto II., der 1089 als Ehebrecher erschlagen wurde, wird das Kloster als bereits bestehend erstmals erwähnt. Die Erbschaft des erloschenen Hauses traten die Ravensburger Welfen an, denen dann 1191 die Hohenstaufen als Buchhorner Ortsherren folgten. Bucelin hat Graf Otto (I.) in kostbarer Gewandung, wie sie im 16. Jahrhundert getragen wurde, dargestellt; der weite Mantel und das Barett sind im vornehmen Schwarz gehalten. Ein Band mit Medaillon (an Ordensabzeichen des 16. Jahrhunderts erinnernd) hängt auf der Brust; die Hände stützen sich auf ein degenähnliches Schwert als Zeichen der weltlichen Macht. Der Sessel, auf dem der Graf geradezu thront, der mit Kissen belegte Fußschemel und der rnittels eines Vorhangs angedeutete Repräsentationsraum unterstreichen die prunkvolle Darstellung des vermeintlichen Klostergründers. Die Darstellung gibt kein authentisches Bild des Grafen, von dem wohl nie ein zeitgenössisches Bildnis existiert hat. Sie ist vor allem als Zeugnis der Hofener Geschichtspflege in Weingarten und der Erinnerung an die Stifterfamilie des Klosters Hofen von Bedeutung.

Herr Dr. Georg Wieland vom Stadtarchiv Friedrichshafen schrieb folgenden zusätzlichen Kommentar zu diesem Bild:
Dem Erläuterungstext von 1988 (siehe oben) haben Sie sicher entnommen, daß das Aquarell von 1627 kein authentisches Bild des rund 550 Jahre früher lebenden Buchhorner Grafen darstellt, sondern eher als Zeugnis des Hofener Geschichtsbewußtseins zu verstehen ist. Die dargestellte Kleidung entspricht der Mode des 16. Jahrhunderts. Im Buch von Thomas J. Stump: Mit Stift und Zirkel. Gabriel Bucelinus 1599 - 1681 ..., Sigmaringen 1976, S. 18, ist nachgewiesen, daß der Künstler und Weingartner Mönch P. Gabriel Bucelin seinen eigenen Großvater, den Überlinger Stadtarzt Dr. med. Valentin Butzlin (gest. 1581), als "Graf von Buchhorn" verewigt hat.

Recht herzlich möchte ich Herrn Dr. Wieland vom Stadtarchiv Friedrichshafen für seine Mithilfe und für seine Zustimmung zur Verwendung seiner Texte danken.
Dr. Wieland hat eine Bildmappe zum Jubiläum der Stadt Friedrichshafen erstellt, die wertvolle Informationen zur Geschichte der Orte Buchhorn, Hofen und Friedrichshafen enthält. Die Bildmappe ist unter der ISBN 3-926162-69-4 erhältlich.
Ebenfalls danke ich der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart für die Genehmigung zur Nutzung des Abbildes des Grafen von Buchhorn.